Hat Europa versagt?

Am 21.Dezember 2017 haben die Bewohner Kataloniens ein neues Regionalparlament gewählt. Die Befürworter der „Independencia“, der Unabhängigkeit von Madrid, die in unterschiedlichen Parteien organisiert sind, errangen die Mehrheit. Im Gegensatz dazu erlitt die konservative Volkspartei, die Partido Popular (PP) eine haushohe Niederlage. Sie gewann nur vier Sitze im katalanischen Regionalparlament. Dabei hatte Mariano Rajoy, der spanische Regierungschef, persönlich diese Neuwahl initiiert.
Bestimmt ungewollt und genauso unverhofft bereitete M.Rajoy den Katalanen so kurz vor Weihnachten ein unvorhersehbares Geschenk. Viele Spanier solidarisierten sich mit den Katalanen und stimmen für die Parteien , die die Unanhängigkeit befürworten. Die Parteien eroberten 70 der 135 Sitze und somit die absolute Mehrheit. Die Wahlbeteiligung lag bei 83 Prozent der 5,5 Millionen Wahlberechtigten der Region, so hoch wie noch nie. Ihr wichtigster Wahlhelfer war Mariano Rajoy und der Artikel 155 der spanischen Verfassung.

Am 27.Oktober 2017 stimmte das katalanische Regionalparlament für die Unanhängigkeit und für die Ausrufung der Republik – Madrid antwortete parallel dazu mit dem Artikel 155 der spanischen Verfassung – vergleichbar mit dem „Bundeszwang“ (Artikel 37) im deutschen Grundgesetz: die Regionalregierung in Barcelona wurde entmachtet, das Regionalparlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt.
Artikel 155, die Aussetzung der Selbstverwaltung, war somit die Antwort der spanischen Zentralgewalt auf das Unabhängigkeitsstreben Barcelonas. Madrid war bestrebt die „verfassungsgemäße Ordnung“ in der unruhigen Region wiederherzustellen. Der Artikel 155 gilt als ein wirksames Instrument Zentralregierung gegen rebellische Provinzen vorzugehen, die gegen die spanische Verfassung bzw. Gesetze verstoßen oder das nationale Interesse der Staates bedrohen – seit Ende der Franco-Zeit ist der Art.155 das erste Mal wieder angewendet worden.

Will aber die Mehrheit der Katalanen wirklich die Unabhängigkeit?

Nein, grundsätzlich nicht!
Nach der Franco-Diktatur erhielten 1979 die Katalanen, neben den Basken und den Galiciern ihr Autonomiestatut zurück. Die Autonomen Gemeinschaften entsprechen in der Kometenzausstattung den deutschen Bundesländern, traditionell bezeichnet die Generalität de Catalunya das Regionalparlament.
Zu der Eskalation der letzten Dekade, angefangen von Volksbefragungen und symbolischer Referenden, seitens der Katalanen und einer Spirale wachsender Gewalt und der Missachtung der Demokratie, vom spanischen Staat und der Volkspartei Partido Popular (PP) ausgehend, ist 2010 ein neues Autonomiestatut in Kraft getreten.
Schon vorher zweifelte die PP, damals noch Oppositionspartei die neue Autonomieverfassung an und Mariano Rajoy selbst lehnte es ab, in Verhandlungen über einen finanziellen Sonderstatus Kataloniens einzutreten. Auch die Definition der „Nation“ bezogen auf die Katalanen wurde in Frage gestellt.

Nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien am 1. Oktober 2017 hat sich auch Spaniens König Felipe VI. öffentlich zu Wort gemeldet. Er sprach enttäuschend von den Katalanen: Sie würden die Einheit des Landes gefährden. Dabei vergaß er scheinbar, dass sein Vater es war, König Juan Carlos I. die neu ausgearbeitete „Verfassung“ der Katalanen 19.Juli 2006 unterzeichnet hatte und diese am 9.August 2006 in Kraft getreten ist.

Die internationale Staatengemeinschaft lehnte eine Anerkennung der von der Regionalregierung ausgerufenen Republik ab. Reaktionen der EU-Kommission, den Konflikt zwischen Zentral- und Regionalregierung schlichten zu mögen, blieben aus. Brüssel verwies lediglich darauf hin, dass es sich um ein innerspanischen Konflikt handele. Die Vorstellung vieler, eine Lösung in der EU (Europäische Union) als Synonym für Europa zu suchen, zumindest bei diesem Konflikt, war falsch.

Weitere Infos zur https://de.wikipedia.org/wiki/Katalonien-Krise

Was ist die Lehre für Oberschlesien?

Bei Angriffen jeglicher Art, durch polnische Nationalisten und den Zentralstaat auf die Oberschlesier, ist zu hoffen, dass sich die Angehörigen der deutschen Minderheit, die schließlich auch Schlesier sind, ihre Furcht überwinden und aktive Solidarität mit den „Schlesiern“ die als Nation gelten wollen, an den Tag legen. Der Beistand der Spanier den Katalanen gegenüber, innerhalb Kataloniens, ist beispielhaft dafür. Für Oberschlesien nur ein frommer Wunsch? Leider ja! Nur zwei Beispiele der letzten Jahre zeigen dies.

1. Für die Anerkennung der schlesischen Nation wurden 2014 in drei Monaten mehr als 140.000 Unterschriften gesammelt 100.000 waren notwendig, um vor dem polnischen Sejm, dem Parlament, eine Debatte für oder gegen eine schlesische Minderheit zu eröffnen. Im Januar 2015 lagen fünf Stellungnahmen – vier davon positiv – zum „Projekt der Anerkennung einer schlesischen Nationalität“ vor. Das ablehnende Votum stammte ausgerechnet von Rafał Bartek. Er ist seit 2012 Ko-Vorsitzender der Regierungskommission für nationale und ethnische Minderheiten, war Geschäftsführer des Hauses der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in Oppeln und Gleiwitz und – seit Mai 2015 Vorsitzender der deutschen Minderheit (Sozial-Kultureller Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien, SKGD). „Die deutsche Minderheit hat keine Angst vor den Schlesiern. Natürlich haben wir keine Angst, denn dann müssten wir ja Angst vor uns selbst haben“, so eine seiner Erklärungen. Eine Logik, die nur schwer zu widerlegen ist! Der Oberschlesier Rafał Bartek folgt hier offenbar der bekannten Einseitigkeit der deutschen oder polnischen Regierungsseite: Hinsichtlich der Nationalität könne es nur Deutsche oder Polen geben.

2. Mit der Vergrößerung von Oppeln, zum 1.Januar 2017, trug die deutsche Minderheit die Demokratie zu Grabe. Die Proteste in Warschau, Berlin, Brüssel, Straßburg und auch in Oppeln und Groß Döbern brachten leider nicht den gewünschten Erfolg, die Willkür des polnischen Staates wurde spürbar. Wenn es schon kein Oberschlesien gibt, konnte die gewachsenen Gemeindestrukturen beibehalten und die kommunale Daseinsvorsorge nicht in Gefahr gebracht werden. Die Einwohner der betroffenen Orte stimmten zu 90 % gegen eine Eingemeindung in die Stadt. Unterstützung kam durch die Schlesische Autonomiebewegung aus dem Nachbarbezirk Schlesien. Sie waren die ersten, die sich gegen den groben Verstoß der Selbstverwaltung einschalteten. Die Proteste wurden durch Rafał Kampa, einen früheren Autonomie-Kandidaten organisiert. Zusätzlich stellte die Autonomiebewewegung, beratend den Rechtsanwalt Waldemar Murek ihm zur Seite. Henryk Mercik, Mitglied des Vorstandes des Marschallamtes der Woiwodschaft Schlesien hat bereits im Anfangsstadium der Proteste Groß Döbern besucht und bot Hilfe an. Während der ganzen Kampagne stützte man sich auf die Ergebnisse der Volkszählung 2012 und 2011, bezüglich der deutschen Minderheit, obwohl die größte Minderheit in der Gemeinde Groß Döbern die schlesische Nationalität ist. Die Vertreter der Deutschen Minderheit wollte aber die Schlesier dadurch nicht stärken und spielte während der ganzen Kampagne die Opferrolle.

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