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Seite 10 – Die föderalen Drei – Republik Österreich, Bundesrepublik Deutschland, und die Schweizerische Eidgenossenschaft

Die föderalen Drei –

Republik Österreich, Bundesrepublik Deutschland, und die

Schweizerische Eidgenossenschaft

Im Unterschied zum Königreich Polen war die Staatlichkeit im Heiligen Römischen Reich über Jahrhunderte seit dem Ende des Hochmittelalter von einer Vielzahl von kleinen Königreichen und Fürstentümern gekennzeichnet. Aus den Bundesstaaten wie Bayern, Hessen, Baden, Thüringen, Württemberg usw. wurden die Bundesländer. Diese regionale Vielfalt findet sich auch heute in der Form des Föderalismus wieder. Im demokratischen Staat wird das Verhältnis zwischen Bund und den Ländern bzw. Kantonen z.B. bezüglich der Finanzen, Steuern, Bildung durch die Verfassung geregelt. Dabei sollen gemäß des Subsidiaritätsprinzips die staatlichen Aufgaben soweit wie möglich von den unteren Gebietskörperschaften bzw. autonomen Gemeinschaften, von unten  nach  oben, wahrgenommen werden.

er Status österreichischer Minderheiten hat seine tiefe historische Wurzel, denn in der Donaumonarchie Österreich-Ungarn mit seinen Kronländern, wozu auch einst Schlesien gehörte, musste man von jeher mit einer großen Völkervielfalt umgehen. Einzelnen Volksgruppen werden deshalb heute in ethnischer und sprachlicher Hinsicht als eigenständige Kulturen betrachtet. Als autochthone Volksgruppe gelten die Burgenlandkroaten, Kärntner – Slowenen, Burgenlandungaren, Tschechen, Slowaken und seit 1993 die Burgenland – Roma. Zusätzlich genießt die kroatische und slowenische Minderheit des Burgenlandes, der Steiermark und Kärntens den direkten Schutz durch den Staatsvertrag.

Daran könnten sich die Bundesregierungen in Deutschland ein gutes Beispiel nehmen und die oberschlesisch-wendische Kultur und Sprache als eigenständig begreifen und diese im Grundgesetze und besonders im deutsch-polnischen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit als schützenswert dokumentieren. Dass dies bisher noch nicht geschah ist umso unverständlicher, als dass die andere westslawische Gruppe der Sorben, mit nur ca. 60 000 Menschen seit langem als anerkannte Kultur etabliert ist, während dies den rund eine Million Menschen oberschlesischer Herkunft bisher versagt blieb.

Ein Grund dafür wird sicherlich sein, dass sie sich in Deutschland stark verteilt haben, wenn es auch gewisse Konzentrationen unter anderem in Nordrhein-Westfalen und Bayern gibt und sie nicht wie die Sorben in einem geschlossenen Siedlungsgebiet beheimatet sind. Ihr Herkommen aus dem polnischen Staat hat verhindert sie als eigenständige Kultur wahrzunehmen.

Zudem werden bedauerlicherweise im Bewusstsein der deutschen Mehrheitsbevölkerung die Oberschlesier durch die slawisch gefärbte Sprache für Polen gehalten, auch wenn mindestens 25 % der oberschlesischen Sprache (Gwara) deutschen Ursprungs ist. Für die Bundesregierungen hieß es, deutschnationaler heimatvertriebener Schlesier, meist aus Niederschlesien – Deutscher, schlesisch stämmiger und spät ausgesiedelter Oberschlesier – Pole. Aus dieser politisch gefärbten Sichtweise hat die originäre Kultur der Oberschlesier keinen Platz und wird dem nationalstaatlichen Denken geopfert. Die politisch Verantwortlichen, egal welcher Partei, scheinen bis heute nicht gewillt zu sein genügend zu differenzieren und so kommt es zu den mehr als dürftigen Studien auch des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), das dem Auswärtigen Amt untersteht.  Das Statistische Bundesamt sieht es nicht anders. Die Zahl der Personen mit ausschließlich polnischer Staatsangehörigkeit liegt bei etwa 500 000 Menschen. Die staatliche statistische Erhebung geht von 1,5 Mio. Polen aus, die Spätaussiedler mit zwei Pässen eingeschlossen. Sie sind nach den ca. 5 Millionen türkisch stämmigen Personen, davon etwa 3,5 Millionen mit ausschließlich türkischen Pass und den sogenannten Russlanddeutschen etwa 2,5 Millionen mit ausschließlich deutschen Pass, die dritt grösste Gruppe der „Migranten“ und die grösste der Doppelstaatler.

Dank politischer Korrektheit und vorauseilendem Gehorsam werden die oberschlesischen Spätaussiedler in der Bundesrepublik zur Polonia gezählt, denn die Bundesregierungen Deutschlands wollten die Volksrepublik Polen nicht brüskieren, die seit Anfang der 1980er Jahre ca. 800.000  Oberschlesiern u.a. durch Austeilen von Pässen die Schlesier zu polnischen Staatsbürgern machte und so Stück für Stück zu assimilieren trachtete.

Die Republik Polen erhebt auch heute noch regelmäßig Anspruch auf diese Menschen. Bei Wahlen oder wenn es um das Etablieren einer „polnische Minderheit“ in der BRD geht, werden sie für national polnische Interessen vereinnahmt.

Dazu muss gesagt werden, dass im faktischen Gegensatz dazu die Oberschlesier in der Vergangenheit nicht so ohne weiteres in die Bundesrepublik Deutschland hätten kommen dürften, wenn sie wirklich in Deutschland rechtlich als Polen gegolten hätten. Weil sie aber historisch gesehen, Angehörige des Deutschen Reiches und des jetzigen Nachfolgestaates, der Bundesrepublik Deutschland sind, war die Umsiedlung ja gerade möglich. Genau aus diesem Grund sind sie auch keine Migranten, die sich integrieren müssten, sondern sie wurden durch die Auswanderung zu deutschen Staatsbürgern schlesischer Abstammung. Von Seiten des deutschen Staates wäre es eine Geste des Angekommen-Seins gewesen, wenn man ihnen ähnlich entgegen gekommen wäre, wie der Freistaat Bayern den Sudetendeutschen nach dem Krieg, die den Franken, Schwaben und Altbayern als Volksgruppe gleichgestellt wurden.

ie Menschen im östlichen Grenzgebiet Preußens und des Deutschen Reiches waren zum weiteren Osten jahrhundertelang natürliche Brückenbauer. Erst nach dem Verbrechen des zweiten Weltkriegs, war die Oder-Neiße Grenzziehung als endgültige Grenze und Flucht und Vertreibung der Bevölkerung aus ihrer angestammten Heimat zur Folge hatte, ist diese Brückenfunktion weggebrochen. Seit dem EU-Beitritt Polens und Tschechiens 2004 werden die beiden Länder zunehmend positiver von der Bevölkerung der heutigen östlichen Bundesländern wahrgenommen, wobei sich der Freistaat Thüringen, Freistaat Sachsen und Sachsen-Anhalt als Mitteldeutschland sehen, und die Staaten Mitteleuropas Deutschland, Polen und Tschechien konnten sich endlich annähern.

Durch die westslawisch-wendische Sprache und Mentalität kommt den Sorben und vor allen den Oberschlesiern beidseits der Grenze, diese Sonderfunktion des Brückenbauers noch immer zu. In mehrere Ausreisewellen kamen seit 1953 weit mehr als eine Million der schlesisch stämmigen Spätaussiedler in die Bundesrepublik. Der vermeintlich polnische Dialekt ist eine dem tschechisch-mährischen verwandt, westslawische Sprache, die sich über Jahrhunderte unabhängig von der polnischen Sprache entwickelt hat. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Geschichte, dass aufgrund der ständig falschen Annahme, schlesisch sei nur ein polnischer Dialekt, die Oberschlesier in ihrer Heimat und im sozialistischen Polen verbleiben durften. Die Verwendung der deutsche Sprache war in dieser Zeit gänzlich verboten und stand unter Strafe. Die Politik der Polonisierung und Assimilierung duldete keine kulturelle Freiheit. In den nächsten Jahren soll die oberschlesische Sprache (Gwara), ähnlich wie schon bei den Kaschuben seit 2005, kodifiziert und als Regionalsprache rechtlich anerkannt werden.

Heute leben in den beiden oberschlesischen Bezirken Oppeln und Kattowitz 1,2 – 1,5 Millionen (offizielle Angabe) ethnische Schlesier und stellen gewissermaßen den slawischen Stamm Schlesiens dar. Es ist regelrecht eine historische Tragik dieses Brückenvolkes wie den Oberschlesier, dass sie von der deutschen, wie auch der polnischen Mehrheitsbevölkerung, wenn auch aus entgegengesetzten Gründen mental oft missverstanden werden. In Deutschland gelten sie, wie gesagt als Polen, und den Polen missfällt an den Oberschlesiern ihre starke innere Verbundenheit, die sie zu Deutschland empfinden. Defacto haben die Oberschlesier eben zwei Muttersprachen, nämlich deutsch und schlesisch (po naszemu) „Wasserpolnisch“, was sie prädestiniert ideale Vermittler zu sein, da sie in beiden Kulturen existenziell zu Hause sind.

Für die Zukunft ist zu hoffen, dass gerade die Schlesier um Oppeln, die sich als deutsche Minderheit verstehen, die große Chance erkennen, die von einer größeren Autonomie ausgehen würde. Zum Beispiel kann diese genutzt werden für einen viel größere Handlungsspielraum und eine größere Akzeptanz deutschsprachigen Schulunterrichts.

Die zukünftige „Autonome Region Oberschlesien“ könnte jedem Schlesier, deutsch gesinnt oder schlesisch national und den dort lebenden Polen Heimat bieten. Wenn man ihnen ihr Wesen und ihre Eigentümlichkeiten im Sinne einer kulturellen Bereicherung ließe und ein autonomes (selbstverwaltetes) und doch erst dadurch ein gut integriertes Oberschlesien innerhalb Polens erreicht würde. Dies wäre voll vereinbar mit dem jetzigen aufgeklärten Europa der Regionen.

Zwischen Deutschland und Polen sollte ein wirklich gutes Verhältnis bestehen, ähnlich wie Deutschland und Frankreich ihre ehemalige Erbfeindschaft seit 1963 hinter sich gelassen haben. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag vom 17.06.1991 war ein erster, aber eher nur symbolischer  Schritt. Nach über 20 Jahren ist die Umsetzung bis heute immer noch sehr dürftig ausgefallen. Abseits von Festakten und Phototerminen wäre es notwendiger eine gemeinsame deutsch-polnische Geschichtsschreibung, mit Oberschlesien im Fokus, in der mit Missverständnissen, Einseitigkeiten, Mythen und Verklärungen aufgeräumt wird.

n der Schweiz als einziger Rechtsgemeinschaft verschiedener Ethnien in Europa, leben Menschen italienischer, französischer, deutscher (Schwitzerdütsch) und rätoromanischer Sprache und Herkunft. Selbst die Fahrenden als Bevölkerungsgruppe mit schweizerischer Staatsangehörigkeit und einer wirtschaftlich und kulturell auf Nichtsesshaftigkeit ausgerichteten Lebensweise gelten als geschützte nationale Minderheit. Gemeint sind die schweizerischen Manouches (Sinti) und die Jenischen.

Die Kantone sind die ursprünglichen Staaten. Im Jahre 1848 haben sich diese zum Schweizer Bund zusammengeschlossen und traten einige wenige Kompetenzen an den Bund ab. Heute besteht die Schweiz aus 26 Kantonen, die oftmals als Stände bezeichnet werden. Die Kantone, genauso wie die deutschen Länder sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist. In der Schweiz gehören Föderalismus und Subsidiarität zu den Grundprinzipien des Bundesstaates seit seiner Gründung. Das Erfolgsgeheimnis des schweizerischen Systems ist die Kombination von direkter Demokratie und Dezentralisierung. Die direkte Demokratie sorgt dafür, dass die Politiker das tun, was die Mehrheit der Bürger will. Da in der Schweiz von vorn herein Staat und Nation getrennt sind, brauch es quasi keinen „Minderheitenschutz“. Die Dezentralisierung verhindert die Tyrannei einer zentralen Staatsregierung mittels eines anonymen Machtapparats.

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